Zu Viel!

Bei Denkarbeit reichert sich Glutamat im Gehirn an

Wer Stunden über einem komplizierten Problem brütet ohne eine Lösung zu finden, mag das Verlangen spüren, aufzuspringen und vor Frustration zu schreien. Dieser Verlust der Selbstkontrolle deutet auf mentale Erschöpfung hin. Man beginnt Fehler zu machen und hat seine Impulse schlechter unter Kontrolle. Forschende waren sich uneinig, was genau die Ursache für Erschöpfungssymptome nach kognitiver Anstrengung ist. Eine kürzlich in „Current Biology“ veröffentlichte Studie bringt Licht ins Dunkel. Die 40 Teilnehmer der Untersuchung führten entweder kognitiv anspruchsvolle Tests oder einfache Kontrollaufgaben durch. Am Ende des Studientages zeigten die Teilnehmer der anspruchsvollen Gruppe deutliche Anzeichen mentaler Erschöpfung: Weniger stark geweitete Pupillen bei Entscheidungen, Präferenz für Optionen, die weniger Aufwand bedeuteten und auch subjektiv gefühlte Erschöpfung. Im Magnetresonanztomographen zeigte sich außerdem, wie sich die Verteilung eines Neurotransmitters veränderte: Bei Probanden der anspruchsvollen Gruppe reicherte sich im Laufe des Tages Glutamat im präfrontalen Kortex an. Glutamat wird während der Denkarbeit zur Signalübertragung in den synaptischen Spalt freigesetzt. Außerhalb der Zelle wird Glutamat abgebaut. Bei starker mentaler Anstrengung geht der Abbau nicht schnell genug voran und das Molekül reichert sich außerhalb der Neuronen an. Dies und der Verbrauch der intrazellulären Vorräte stören schließlich die Signalübertragung. Der Proband fühlt sich überarbeitet und bekommt Schwierigkeiten dabei, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Abhilfe schafft ein einfaches Mittel: Im Schlaf entfernt das Gehirn effektiv die Abfallprodukte der Denkarbeit.

Wiehler A et al. A neuro-metabolic account of why daylong cognitive work alters the control of economic decisions. Curr Biol, 4. August 2022, S0960-9822(22)01111-3

Foto: Timeimage/AdobeStock

Ulrich Schreiber

Ulrich Schreiber ist Toxikologe und freier Journalist. Er studierte Chemie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und erwarb seinen Master of Science für Toxikologie an der Charité Berlin.