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Innere Stimme: Saboteurin oder Verbündete

Wir alle kennen diese Stimmen in unserem Kopf, die uns antreiben, mit uns Diskussionen führen oder uns zur Verzweiflung bringen. Was genau ist diese innere Stimme, kann sie uns krank machen und wie kann man sie für sich nutzen?

Die innere Stimme ist eine Form der stillen, an sich selbst gerichteten Sprache. Manche Menschen hören ihre innere Stimme häufig, andere nur selten und in der Regel spricht sie nicht durchgehend mit uns. Oft nimmt sie verschiedene Rollen ein und ermöglicht es uns, Situationen aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Im Podcast „Wie wir ticken“ wurde thematisiert, was unsere innere Stimme uns sagen möchte und wie wir ihr richtig zuhören [1].

Wissenschaft der inneren Stimme

Die Wissenschaft beschreibt die innere Stimme als auditive Visualisierung kognitiver Funktionen. Sie
unterstützt uns beim Planen von Handlungen, bei der Kon­trolle von Emotionen, beim Lösen von Problemen und somit in unserem ganzen Leben. Sie kann auch eine verdeckte Form des Selbstgesprächs sein – laut sowie leise –, insbesondere bei motorischen Tätigkeiten wie Sport [2, 3, 4]. Bereits in den 1930er-Jahren stellte der Psychologe Lev Vygotsky dazu die Hypothese auf, dass Selbstgespräche von Kindern den Übergang von zunächst äußerer Sprache auf innere Sprache dar­stellen [3].

In Untersuchungen konnte man beobachten, dass bei inneren Dialogen die gleichen Hirnregionen aktiv sind wie beim äußeren Sprechen, nämlich das Broca-Areal als Sprechzentrum und die Heschl’sche Querwindung und das Wernicke-Zentrum zum Hören und Verstehen. Neuronale Verbindungen zwischen Sprech- und Hörzentrum ermöglichen uns, zwischen tatsächlich Gehörtem und innerer Stimme zu unterscheiden [1].

Wer spricht da mit mir?

Neben banalen Monologen kann unsere innere Stimme auch komplexe Diskussionen mit uns führen. Dabei agiert sie aus verschiedenen Rollen, wie in einer Studie aus Polen gezeigt wurde. In der Studie konnten vier verschiedene innere Gesprächspartner identifiziert werden: der treue Freund, der stolze Rivale, der ambivalente
Elternteil und das hilflose Kind [5].

Gehirngeplapper

In extremen Fällen kann die Unterscheidung zwischen innerer und realer Stimme unmöglich sein und zu schweren psychischen Erkrankungen führen, wie bei Schizophrenie. Doch auch gesunde Menschen können durch ihre innere Stimme belastet werden. Rumination oder sogenanntes Gehirngeplapper (engl. chatter) sind wiederkehrende negative Gedanken wie „Ich werde das nie schaffen“ oder „Ich bin nicht gut genug“, die sich in schier undurchbrechbaren Gedankenschleifen wiederholen. Rumination wird durch Stress wie in Prüfungsphasen verstärkt und ist mit Depressionen assoziiert [1, 3]. Der Psychologe Ethan Kross von der University of Michigan, USA, hat verschiedene Techniken entwickelt, um negative Gedanken zu stoppen und die innere Stimme positiv zu lenken [6]:

  • Distanziertes Selbstgespräch: Sprecht euch selbst in der zweiten Person an. Statt „Ich schaffe das nicht“ bewusst „Du kannst das“ sagen.
  • Freundschaftlicher Rat: Sich selbst so beraten, wie man es bei einem guten Freund tun würde.
  • Perspektive erweitern: Das aktuelle Problem in einen größeren Zusammenhang setzen. Kann ich das aktuelle Problem mit einem anderen vergleichen, das ich bereits gelöst habe? Wie passt es in mein gesamtes Leben, oder wie würde eine Person, die ich bewundere, dieses Problem angehen?
  • Erfahrungen normalisieren: Über negative Erfahrungen in der zweiten Person denken oder sprechen, um die Situation aus einer gesunden Distanz zu reflektieren.
  • Zeitreise: Sich vorstellen, wie man in einem Monat oder Jahr auf die Situation zurückblickt. Die jetzige Situation wird im Rückblick viel weniger stressig oder bedrückend wirken.
  • Gedanken aufschreiben: Mehrere Tage lang ungefiltert Gedanken notieren, dabei weder auf Rechtschreibung noch Grammatik achten. Die Sicht des Erzählers hilft, Abstand zur Situation zu gewinnen und die Gefühle zu verarbeiten.
  • Ein Ritual einführen: Routinen einführen, um Gedankenschleifen zu durchbrechen.
  • Ordnung schaffen: Gedankengeplapper löst bei einigen Menschen das Gefühl von Kontrollverlust aus. Den Schreibtisch oder die Wohnung aufzuräumen oder Gegenstände zu ordnen, kann das Gefühl von Kontrolle zurückbringen.
  • Ins Grüne gehen: Ein Spaziergang im Grünen kann die mentale Belastung reduzieren.
  • Ehrfurcht spüren: Ehrfurcht zu empfinden, hilft, die eigene Situation aus einer neuen Perspektive zu betrachten.

Fluch und Segen

Unsere innere Stimme hilft uns, Entscheidungen zu treffen, Probleme zu lösen und unser Verhalten zu steuern. Doch wenn wir in negativen Gedankenschleifen gefangen sind, kann sie zur Last werden. Indem wir bewusst lernen, sie zu steuern, können wir sie zur Unterstützerin und Mentorin machen. Gerade im Pharmaziestudium, wenn die Arbeitslast einen zu überwältigen scheint, sollte man sich dessen bewusst sein und die innere Stimme als Verbündete gewinnen, anstatt sie als Saboteurin anzustiften.

Hier gehts zum Podcast zur Folge Wie wir ticken – euer Psychologie-Podcast
„Die innere Stimme – Was sie uns sagen will und wie man ihr zuhört“

Literatur

[1] ARD. Wie wir ticken – Euer Psychologie Podcast
„Die innere Stimme – Was sie uns sagen will und wie man ihr zuhört“, vom 12.02.2025.
[2] Fernyhough C, Borghi AM. Inner speech as language process and cognitive tool. Trends Cogn Sci 2023;27:1180-93, doi:10.1016/j.tics.2023.08.014
[3] Alderson-Day B, Fernyhough C. Inner Speech: Development, Cognitive Functions, Phenomenology, and Neurobiology. Psychol Bull 2015;141:931-65, doi:10.1037/bul0000021
[4] Perrone-Bertolotti M, Rapin L, Lachaux JP, Baciu M, Lœvenbruck H. What is that little voice inside my head? Inner speech phenomenology, its role in cognitive performance, and its relation to self-monitoring. Behav Brain Res 2014;261:220–39, doi:10.1016/j.bbr.2013.12.034
[5] Puchalska-Wasyl MM. Self-talk: conversation with oneself? On the types of internal interlocutors. J Psychol 2015;149:443-60, doi:10.1080/00223980.2014.896772
[6] Practical tools to apply, and harness the voice in your head, www.ycn.org/resources/chatter-practical-tools-to-try-and-apply

Tabea Krause

hat in Düsseldorf Pharmazie studiert. Seit ihrer Approbation arbeitet sie als Volontärin in der Redaktion der medizinisch-pharmazeutischen Zeitschriften des Deutschen Apotheker Verlags.