Illustration: Wessinger und Peng

Gestern noch Praktikantin, heute Pandemiemanagerin

Die Corona-Pandemie durch die Augen von Pharmaziepraktikanten

Eben noch hast du die letzten nervenaufreibenden Prüfungen hinter dich gebracht, die Uni liegt hinter dir. Du stehst nun voller Vorfreude und Aufregung in der Apotheke. Endlich kannst du all das angeeignete Wissen der letzten vier Jahre aus der Theorie hervorholen und in die Praxis überführen. Endlich! Und dann das: Corona. Plötzlich dreht sich alles nur noch um COVID-19-Symptome, DIN-Normen von Masken und Abstandsregeln. In der Rezeptur werden nicht mehr Kapseln oder Salben hergestellt, sondern in rauen Mengen Desinfektionsmittel nach WHO-Standard angerührt. Schichtbetrieb. Plexiglas. Maske. Der Welpenschutz ist vorbei – Apotheker:innen und solche, die es werden wollen, sind nun systemrelevant.

Für die Praktikant:innen in unserem Nachbarland Dänemark rollte die erste Corona-Welle etwa fünf Wochen nach Beginn ihrer praktischen Ausbildung über das Land. Die Universität Kopenhagen nutzte die besondere Situation, in der sich die angehenden Apotheker:innen plötzlich vorfanden, und führte eine spannende Umfrage unter ihnen durch. In einer Art Praktikums-Tagebuch haben sie ihre Erlebnisse und Gedanken niedergeschrieben und geben uns einen Einblick in ihre Welt.

Wie soll man eine fundierte pharmazeutische Beratung erlernen, wenn man nicht mehr mit dem Patienten direkt sprechen kann, sondern nur noch Angehörige die Medikamente in der Apotheke abholen? Diskretion in der Beratung, z. B. im Beratungsraum, ist mit den Abstandsregeln nur schwer bis gar nicht zu vereinbaren. Die telefonischen Bestellungen schießen plötzlich in die Höhe. Raus will jetzt keiner mehr. Wenn eine Apotheke bisher noch keinen Botendienst hatte, dann spätestens jetzt. Und dann die brüchigen Lieferketten: Lieferengpässe, Vorratshaltung, Lageraufstockung – wappnen für den Ernstfall. Sorgenvolle Patienten bzw. Kunden. Auf der einen Seite sind die entspannten und verständnisvollen. Einige sind sogar etwas zu entspannt, sodass man hier und da mit mahnenden Worten nicht geizen sollte. Und dann gibt es die panischen, verängstigten, wütenden. „Man konnte die Panik in der Luft fast spüren – und ein in Panik geratener Kunde ist nicht leicht zu erreichen.“

„Eine Mischung aus Frustration, Angst und Egoismus, die sich oft auf das Personal auswirkte.“

Die pharmazeutische Ausbildung wird während einer Pandemie solchen Ausmaßes auf den Kopf gestellt. Doch für die Dänen findet sich auch Gutes im Chaos. In den Reporten sammelten die Studierenden auch Gedanken darüber, was ihnen in diesen Tagen guttut. Welche der holprig eingeführten Lösungen vielleicht auch in der Zukunft nützlich und wertvoll sind. Ganz vorne dabei: die Nachrüstung in der Digitalisierung. Teambesprechungen nach einem langen Tag in der Apotheke gemütlich via Zoom oder Skype von zu Hause aus zu bestreiten, ist ein klares Plus. Ausweitung des Botendienstes – sehr gut, denn so wird der Radius der Apotheke erweitert. Die etablierten Hygienemaßnahmen – in der Grippezeit wären sie Gold wert! Wohlwollende Worte und kleine Zeichen der Anerkennung, sei es durch ein Lächeln oder ein Stück Kuchen, wirken wie Balsam auf der Seele.

Es findet sich auch eine tiefe Zufriedenheit unter den angehenden Apotheker:innen. Denn es zeigt sich dieser Tage, wie wichtig ihre Arbeit ist. Auf persönlicher Ebene im direkten Kontakt mit dem Patienten, aber auch auf Systemebene. Als Pharmazeut:innen tragen wir Sorge, die gesamte Bevölkerung lückenlos mit Arzneimitteln und pharmazeutischer Beratung zu versorgen. Wir sind wichtig!

Blick nach Deutschland

Ja, Apotheker:innen sind systemrelevant. Arzneimittel sind systemrelevant. Doch was passiert, wenn plötzlich ein ganzer Jahrgang angehender Apotheker:innen ausfällt, weil sie durch Fehlzeiten während des PJs die Anforderungen der Approbationsordnung nicht erfüllen? Durch Schichtbetrieb und Quarantänemaßnahmen drohte dieses Jahr einigen Pharmazeut:innen im Praktikum, die erforderlichen Stunden in der Apotheke nicht nachweisen zu können. Der Fachkräftemangel im Apothekenbereich ist nicht erst seit Corona ein Problem. Und was ist mit denen, für die bald das Pharmaziepraktikum starten sollte? In derart unsicheren Zeiten scheuen sich so manche Inhaber:innen, einen neuen Praktikanten ins Team zu holen. Jedes neue Teammitglied ist gleichzeitig auch ein neuer Außenkontakt, mit einem schwer kalkulierbaren Ansteckungsrisiko.

„Let´s continue doing important work, instead of pseudo work.“

Das hieße für so viele: Prüfungsvoraussetzung fürs 3. Stex nicht erfüllt. Ab in die Ehrenrunde. Untragbar, fand auch der Bundesverband der Pharmaziestudierenden Deutschlands (BPhD e.V.) und verdeutlichte im Frühling in einer Sonderstellungnahme gemeinsam mit der ADEXA (Die Apothekengewerkschaft), was das für das deutsche Gesundheitssystem allgemein und die Arzneimittelversorgung im Speziellen bedeuten würde. Und es tat sich was. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nahm sich im Zweiten COVID-19-Bevölkerungsschutz-Gesetz dem Problem an und versprach mehr Flexibilität. Die darin enthaltene neue Pandemie-Verordnung für Apotheker erlaubt mehr digitale Lehrformate sowie flexiblere Regeln für die Ableistung der Famulatur. Wegen des vielen Schichtbetriebs dürfen PJler:innen nun bis zu 25 Prozent ihrer Praktikumszeit auch außerhalb der Apotheke im Homeoffice absolvieren. In besonderen Härtefällen ist es künftig sogar möglich, sich bei der zuständigen Behörde die Ausfallzeiten anrechnen zu lassen.

Vorsicht! Dabei handelt es sich teilweise um Einzelfallentscheidungen. Die ADEXA schreibt auf ihrer Homepage, dass die Umsetzung der Pandemie-Verordnung hier und da noch holprig verläuft. In manchen Bezirken wollten die Apothekerkammern die Corona-bedingten Minusstunden nicht anerkennen.

Helfer:innen in Corona-Impfzentren

Apropos „Let´s continue doing imortant work …“ Seit Ende Dezember wird endlich gegen SARS-CoV-19 geimpft. Erstmalig erleben wir in Deutschland eine derart groß angelegte Impfkampagne: Messehallen, leer stehende Bürokomplexe – alles, was viele Menschenmassen beherbergen kann, wird zum Impfzentrum umfunktioniert. Viele Apothekerkammern riefen schon im November pharmazeutisches Personal dazu auf, sich als freiwillige Helfer:innen für den reibungslosen Ablauf in den Zentren zu melden. Jede Hand ist dabei wichtig. Unter den ehrenamtlich Tätigen finden sich auch angehende Apotheker:innen. Der Einsatz lohnt sich: Bis zu 20 Euro pro Stunde erhalten PhiPs und Pharmaziestudierende im Hauptstudium. Selten war es so wichtig, kompetente Fachkräfte im Einsatz zu haben. Der ultragekühlte Impfstoff von BioNTech (Comirnaty®), kommt bei -75 °C im Zentrum an. Dort muss er mit Trockeneis auf Temperatur gehalten werden. Um ihn vorzubereiten, werden die Mehrdosenbehältnisse zunächst aufgetaut (2 bis 8 °C, Haltbarkeit: fünf Tage). Danach erfolgt die Verdünnung mit isotonischer Kochsalzlösung. Der Impfstoff sollte nach der Verdünnung innerhalb von sechs Stunden durch die ärztlichen Kollegen verimpft werden. Das erfordert viel Koordination, ist es doch ein rares Gut, um das es sich bei den Vakzinen handelt. Wer die Nachrichten verfolgt hat, hat sicherlich schon mitbekommen, dass es bedauerlicherweise zu der einen oder anderen Panne bei der Aufbereitung des Impfstoffs kam – das zeigt umso mehr, wie systemrelevant unser Fach und unsere Expertise sind.

Wart ihr auch schon im Einsatz in einem Impfzentrum? Was habt ihr als Pharmaziestudierende oder Pharmazeut:innen im Praktikum während der Pandemie erlebt? Erzählt eure Geschichte und schreibt uns auf
redaktion[at]unidaz.de.

Dorothée Malonga Makosi, Mainz

Apothekerin Dorothée Malonga Makosi hat nach ihrer Approbation ein Studium zum Master of Public Health (MPH) an der Berlin School of Public Health (BSPH) der Charité Universitätsmedizin, Berlin absolviert. Derzeit ist sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Statistik (IMBEI) der Universitätsmedizin Mainz mit der Koordination der Evaluation des KiDSafe-Projekts betraut.