Fotografie: Thomas Nondh

Pharmazeutischer Alltag bei Sommer, Sonne, Strand und mehr

„Wie ist es denn so, als deutsche Apothekerin in Spanien zu arbeiten?“ Das ist eine gute und interessante Frage, die mir häufig gestellt wird, die ich aber auf zwei Seiten nicht beantwortet kann. Dafür gibt es zu viele Unterschiede. Trotzdem soll dieser Artikel einen Einblick in meinen Apothekenalltag und das Pharmazie- und Gesundheitswesen in Spanien geben.

Die Vorbereitung

Das Erasmus-Programm gibt es schon viele Jahrzehnte und es erfreut sich großer Beliebtheit. So war das auch bei mir. Ich hatte vor etwas mehr als zehn Jahren (2011) das Glück, in Valencia, Spanien, zu studieren. Diese Zeit ist mir in guter Erinnerung geblieben, und so lag nichts näher, als nach einigen Jahren wieder zurückzukehren.
Wer als Apotheker:in in Spanien arbeiten möchte, hat zunächst einige bürokratische Hürden zu überwinden. Grundsätzlich wird die Apotheker:innenausbildung in Europa (EU, EWR und Schweiz) gegenseitig anerkannt. Dank des Europäischen Berufsausweises, ein elektronisches Verfahren zur Anerkennung, geht der Prozess schnell und reibungslos über die Bühne. Nach einigen Telefonaten und E-Mails hatte ich alle Dokumente zusammen. Die zuständige Behörde in Spanien, das Ministerio de Sanidad, Consumo y Bienestar social (dt. Ministerium für Gesundheit, Verbraucherschutz und soziale Angelegenheiten), stellte dann eine Bescheinigung aus, die einer Berufserlaubnis oder Approbation gleichkommt. Dieser Prozess hat bei mir ungefähr zwei Monate gedauert. Damit waren die ersten Schritte getan, und es ging auf Arbeitssuche. Stellenangebote findet man beispielsweise bei den Apothekerkammern, den Colegios farmacéuticos oder Online-Jobportalen.
In Spanien ist keine Fachsprachenprüfung wie in Deutschland vorgesehen, um in einer Apotheke zu arbeiten. Trotzdem ist es natürlich wichtig, die Sprache gut zu beherrschen, was großes Engagement und Liebe zur Sprache voraussetzt. In Valencia kommt hinzu, dass hier Valenciano gesprochen wird. Neben dem Castellano (Spanisch) ist das Valenciano eine amtlich anerkannte Sprache und hat bei mir schon manches Mal zur Verwirrung geführt.
Sind die wesentlichen Voraussetzungen geschaffen, geht es an die Arbeitspraxis nach dem Motto „Learning by doing“.

Die Erfahrung

Trotz langjähriger Erfahrung in Deutschland in öffentlichen Apotheken habe ich gefühlt bei null angefangen und kam mir wie eine Praktikantin vor. Das fachliche Wissen war zwar da, aber es ging einem nicht so leicht über die Lippen, und ich fühlte mich am Anfang unsicher. Woran das lag? Alles war neu: die Sprache, das Gesundheitssystem, die Kultur, die Produkte und Arzneimittel, der Umgang mit Kolleg:innen und Patient:innen. Die größten Unterschiede zum deutschen Alltag sind für mich nach wie vor die Digitalisierung (Stichwort: elektronisches Rezept) und die Rabattverträge der Krankenkassen. In Spanien gibt es seit einigen Jahren das elektronische Rezept, was dort den Ablauf erleichtert. Die Bürger:innen sind überwiegend in einem Sozialversicherungssystem, dem Seguridad social, versichert. Weil es schlicht nicht so viele Krankenkassen wie in Deutschland gibt, fallen die lästigen Rabattverträge weg. Der Arzt/die Ärztin verordnet einen Arzneistoff oder ein Arzneimittel, und die Apotheke kann entweder das Original oder ein Generikum abgeben. Grundsätzlich sind, ähnlich wie in Deutschland, nur verschreibungspflichtige Arzneimittel Kassenleistung. In beiden Ländern gibt es aber Ausnahmen.

Die Patient:innen kommen mit ihrer Versichertenkarte in die Apotheke, diese wird eingescannt, und auf dem Bildschirm erscheint die komplette Medikation, von allen Ärzt:innen und Fachärzt:innen. Das System kalkuliert die Menge der benötigten Arzneimittel, und je nach Bedarf werden neue Packungen „freigeschaltet“. Es hinterlegt auch, von welcher Firma das Medikament abgegeben wird. Außerdem bekommt man für die Beratung hilfreiche Daten zu Dosierung, Therapiedauer und den nächsten Arzttermin angezeigt. Für die Patient:innen kann ein Medikationsplan ausgedruckt werden. Sie haben selbst auch eine App, mit der sie das Dosisregime einsehen können und die sie darüber informiert, wenn sich, bei chronischer Medikation, die Packung dem Ende zuneigt.
Bei den verschreibungspflichtigen Rx- und den freiverkäuflichen OTC-Arzneimitteln (over the counter, ohne Rezept) gab es einiges zu lernen: die Medikamenten- und Markennamen und zum Teil andere Wirkstoffe, die ich aus der deutschen Apothekenpraxis nicht kannte. Vor allem im ersten Jahr habe ich mich in meiner Freizeit viel damit beschäftigt, um mich sicherer zu fühlen.


Neben den Medikamenten gibt es auch eine große Produktpalette im Bereich der parafarmacia. Das ist kurz gesagt alles, was kein Arzneimittel ist. Dazu gehören vor allem Kosmetik und Nahrungsergänzungsmittel, zum Teil mit europäischen (mir bekannten) und nationalen Produkten. Je nach Lage der Apotheke kann das einen erheblichen Teil der Beratungsgespräche ausmachen.


Über Pharmazeutische Dienstleistungen wird ebenfalls diskutiert und darüber, wie sie den Apothekerberuf in Zukunft verändern und weiterentwickeln. Zahlreiche Apotheken bieten Medikationsmanagement und patientenindividuelles Stellen der Medikation (Wochenblister) an. Verschiedene Tests zur Bestimmung von Parametern wie Blutzucker, Cholesterol, Leber- oder Nierenwerten ergänzen das Angebot. Meiner Erfahrung nach nutzen das die Patient:innen und erweitern so ihr Wissen um ihren Gesundheitszustand.


Ich persönlich beschäftige mich mit Klima- und Umweltschutz und setze mich für mehr Nachhaltigkeit in der Pharmazie ein. In Spanien habe ich noch nichts von klimaneutralen Apotheken gehört. Ich vermute, es liegt daran, dass viele Spanier:innen kein tief verankertes Bewusstsein für Klima- und Umweltschutz haben. Mülltrennung ist nur zum Teil etabliert, aber mittlerweile wird zumindest mehr die Problematik von Plastikmüll erkannt. Trotzdem ist häufig die Klimaanlage an, und mit dem Auto zu fahren, ist deutlich beliebter, als aufs Rad zu steigen.


Aufgrund meines deutschen Akzents und Aussehens werde ich oft als nicht spanisch identifiziert. Immer wenn ich in einer neuen Apotheke bin, werde ich interessiert von der Kundschaft angesprochen. Einige können sich kaum vorstellen, dass eine Deutsche in Spanien arbeitet, wo doch so viele Spanier:innen einen Job in Deutschland suchen und auch finden. Manchmal werde ich gefragt, ob ich ein Praktikum mache. Und wenn ich dann erkläre, dass ich hier lebe und arbeite, freuen sie sich und sind sehr stolz, dass ich mich in Valencia wohlfühle und ich hier herzlich empfangen wurde. Auch von Kolleg:innen werde ich herzlich ins Team aufgenommen. Ein Pluspunkt bei Bewerbungen sind immer meine Sprachfähigkeiten, die schätzen das Team und die Englisch und Deutsch sprechende Kundschaft.
Weil ich das häufig gefragt werde, wie viel ich verdiene, werde ich es hier kurz erläutern. Ein:e Apotheker:in verdiente im Jahr 2021 als monatliches Brutto-Grundgehalt (14 Zahlungen pro Jahr) 1908,99€. Einen kleinen Unterschied gibt es bei den Urlaubstagen: Gesetzlich stehen einem 30 Urlaubstage zu. Sonn- und Feiertage werden hier allerdings mitgezählt, und so ist das deutlich weniger als in Deutschland. Dennoch habe ich mich entschieden, hier zu leben und zu arbeiten, weil es Dinge gibt, die man mit Geld nicht bezahlen kann.

Esther Luhmann, Valencia, Spanien

Seit 2017 lebt und arbeitet Esther Luhmann in Valencia, Spanien und konnte den Arbeitsalltag in verschiedenen Apotheken kennenlernen. Sie arbeitet außerdem als Vorstandsreferentin für den VdPP (Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten e.V.), ist bei den Pharmacists for Future aktiv und Herausgeberin des Buches „Die nachhaltige Apotheke“.