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Alleskönner! Berufsbilder in Pharmaunternehmen

Als approbierter:e Apotheker:in kannst du in der ­Offizin arbeiten, im akademischen Betrieb, bei Fachverlagen – oder in der Industrie. Welche Berufsbilder gibt es für Pharmazeut:innen in Unternehmen?

Im Vordergrund der Aufgabenbereiche von Apotheker:innen in der Pharmazeutischen Industrie stehen in grober Einteilung Forschung & Entwicklung, die Produktion für die klinischen Phasen I–III oder Markt­versorgung, die Zulassung von Arzneimitteln, die Qualitätskontrolle sowie Qualitätssicherung bis hin zur Vermarktung, zu dem Transport und der Pharmakovigilanz. Eine besondere Rolle nehmen Apotheker:innen im Rahmen der Sachkundigen Person (qualified person, kurz QP), der Leitung der Herstellung sowie der Leitung der Qualitätskontrolle ein.

Forschung & Entwicklung
(Research & Development)

Häufig arbeiten Apotheker:innen als Forschende in Scientist-Positionen oder als Laborleiter:in (mit ent­sprechender Promotion) im Bereich Forschung und ­Entwicklung (F&E). Dabei spielen das Verständnis von ­Pathophysiologie zur Targetfindung sowie das biochemische Wissen bei der Wirkstofffindung eine zentrale Rolle. Abhängig von der Industrie, kann es sich dabei um chemisch-definierte Moleküle handeln oder um Antikörper, Nukleinsäuren, Proteine etc. Wurden Krankheiten identifiziert und zugleich ein Ansatz zur Therapie (target) inklusive Wirkmechanismus gefunden, beginnt das Wirkstoffdesign bzw. das Drug-Discovery, die ersten Synthesen von Wirkstoffkandi­daten im Labormaßstab und ihre entsprechende analy­tische Charakterisierung vor allem in Bezug auf Lös­lichkeit, Targetspezifizität und Toxikologie. Pharma­zeutische Technologen entwickeln im Rahmen der Präformulierung erste Darreichungsformen für die entsprechenden Tierstudien anhand der physikochemischen Charakteristik des Wirkstoffs (dies ist zunächst unabhängig von der späteren Administrationsart).

Apotheker:innen sind im Anschluss bei der Aufklärung der Pharmakokinetik, der Pharmakodynamik und der Metabolisierung der Wirkstoffe involviert. Zugleich werden Darreichungsformen für die klinischen Studien entwickelt und die Prüfpräparate unter Good Manufacturing Practice (GMP) entsprechend hergestellt (s. „Herstellung und Qualitätssicherung“). Dies beinhaltet häufig Prozesstransfer von kleinen Labormaßstäben hin zum Produktionsmaßstab inklusive Steigerung der Qualität, Aus­beute und Prozessverständnis. Ebenfalls unterstützen Apo­theker:innen bei der Koordination bzw. Betreuung von klinischen Studien der Phasen I–III. Eine große Rolle spielt die Entwicklung analytischer Methoden für die Wirk- und Hilfsstoffe wie auch das Arzneimittel nach der Produktion im Rahmen der Freigabetestungen. Die Betreuung von klinischen Studien reicht aber auch bis hin zu Transportstudien, Wahl von Verpackungs­materialien, Schulung der klinischen Teams zur Anwendung, Aufbereitung und Applikation der Prüfmedika­tion und sämtlicher Dokumentation im Rahmen des Qualitätsmanagementsystems.

Arzneimittelzulassung (Regulatory Affairs)

Ein weiterer sehr spannender Bereich für Apotheker:­innen mit großer Schnittstellenfunktion aus F&E, Herstellung und den entsprechenden Arzneimittelbehörden stellt die Arzneimittelzulassung dar, auf Englisch „regulatory affairs“. Die Schwerpunkte liegen hier bei der Zulassung bzw. der Entwicklung von Zulassungsstrategien für klinische Prüfungen sowie kommerziellen Arzneimittelzulassungen, was das Zusammentragen sämt­licher Informationen zum Wirkstoff, zum Arzneimittel, zur Pharmakokinetik und -dynamik, zur Toxikologie etc. einschließt. Wissenschaftlich aufbereitet werden die Informationen dann an die entsprechenden nationalen und internationalen Zulassungsbehörden weitergereicht. Eine wichtige Aufgabe ist zugleich die Beratung anderer Fachbereiche innerhalb der eigenen Firma sowie das Anfragen von Informationen. Weiterhin werden Informationen von bereits zugelassenen Arzneimitteln gegenüber den Behörden fortlaufend aktualisiert und ggf. auch geändert, wobei eine enge Abstimmung mit den jeweiligen Institutionen wichtig ist. Ein gutes wissenschaftliches Verständnis sowie sehr gute Kommunikationsfähigkeiten auf Deutsch und Englisch sind für diese Bereiche von großem Vorteil, da meist auf Englisch geschrieben und bei den Behörden angezeigt oder eingereicht wird.

Herstellung und Qualitätssicherung

Apotheker:innen sind bei der Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten in ganz unterschied­lichen Funktionen und Aufgabenbereichen tätig. Hierbei spielt die Beschaffung von qualitativ hochwertigen Ausgangsstoffen und ggf. sogar Wirkstoffen (supply management) eine entscheidende Rolle. Entsprechende Lieferanten und Produzenten im Lohnauftrag müssen durch die qualitätssichernden Funktionen wiederum entsprechend qualifiziert werden.

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Die Qualitätskontrolle bewertet im Rahmen der Wareneingangskontrolle die Qualität der Ausgangsmaterialien und gibt diese für die Herstellung von Arzneimitteln entsprechend frei. Aber auch die Produktion von Arzneimitteln mit dem Verfassen von Herstell- und Prüfanweisungen, der entsprechenden Kontrolle der Compliance der Mitarbeiter:innen in den unterschiedlichen Herstellschritten, die Überprüfung der Prozesse durch sogenannte In-Prozess-Kontrollen bis hin zur Qualitätskontrolle, also den analytischen Testungen zur anschließenden Freigabe der Arzneimittel, gehören zu Aufgaben der Qualitäts­kontrolle. Dabei kann es ständig zu Abweichungen (deviations), Änderungen (change controls), Korrektur- und Präventivmaßnahmen (CAPA) kommen, die entsprechend erarbeitet, analysiert, umgesetzt und in ihrer Umsetzung kontrolliert werden müssen. Ebenfalls werden Stabilitätsstudien zur Überprüfung der gleich­bleibenden Qualität geplant und bei unterschiedlichen Temperaturen (Lagerbedingungen) durchgeführt und die Ergebnisse ausgewertet.

Der EU-GMP-Leitfaden schreibt in Teil 1 Kapitel 2 (Personal) in diesen Fachbereichen gewisse Verantwortungen und Positionen vor, wie z. B. die Leitung der Herstellung, die Leitung der Qualitätskontrolle oder die Sachkundige Person (Qualified Person, QP). Die Sachkundige Person ist dabei für die finale Freigabe jeder Charge eines für die EU hergestellten Arzneimittels privat haftend verantwortlich und muss sich daher intensiv mit den Herstellprozessen, den Ausgangsmaterialien sowie dem Wirkstoff, der Formulierung und der Freigabetestung auseinandergesetzt haben. Dies muss in einem mindestens 2-jährigen Training innerhalb der Qualitätskontrolle erfolgen, welches die zuständige ­Zulassungsbehörde akzeptiert und die Sachkundige Person anschließend ernennt.

Lagerung und Distribution

Approbiertes Personal findet sich ebenfalls in den Bereichen der Lagerung von Arzneimitteln oder dem Versand, um Arzneimittel oder deren Zwischenpro­dukte vom Herstellort zu einem anderen Herstellort zu bringen, um diese an Apotheken oder den Großhandel auszuliefern oder für den Weitertransport zwischen­zulagern. Dabei ist wichtig, nach den Vorgaben der Good Distribution Practice (GDP) zu arbeiten, diese ständig zu kontrollieren und nicht nur die Speditionen, sondern auch Lager entsprechend zu qualifizieren und dabei gegen Einbruch, Arzneimittelfälschung oder gegen Verunreinigungen durch Mensch und Tier zu schützen. Arzneimittel müssen in derselben Qualität bei den Patient:innen ankommen, wie sie durch die Sachkundige Person freigegeben worden sind – ­uneingeschränkt. Auch hierbei kann zwischen kommerziellen Arzneimitteln und Prüfpräparaten für die klinische Forschung (Phasen I–III) unterschieden werden, wo häufig noch spezielle Schulungen zur Aufbereitung und Anwendung des Prüfpräparats an den entsprechenden Prüfzentren durchgeführt werden müssen.

Vertrieb und Vermarktung

Diese Bereiche mögen für apothekerliche Tätigkeiten etwas fremd anmuten, aber auch hier findet sich approbiertes Personal, um mit entsprechender Fachkenntnis das Produktmanagement zu beraten, z. B. bei der Gestaltung von Sekundärverpackungen. Unter diese Tätigkeiten fallen aber auch gesundheitspolitische Belange der Pharmaunternehmen oder gesundheits­ökonomische Erhebungen, Markterschließungen inklusive des Erkennens von Markthürden oder anderer länderspezifischer bzw. kultureller Besonderheiten (auch Arzneimittel sollten in manchen Gegenden vegan, koscher oder halal sein).

Pharmakovigilanz und Arzneimittelinformation

Sind Arzneimittel über den Großhandel und die (Krankenhaus)Apotheke schließlich bei den Patient:innen angekommen, können auf all diesen Schritten Abweichungen auftreten, wie z.  B. falsche Etikettierungen, defekte Medizinprodukte oder gar unerwartete Wirkungen. All diese Informationen sollen den Herstellern entsprechend mitgeteilt werden; dies passiert sehr häufig über Apo­theker:innen in der Pharmakovigilanz, die Hinweise zu Risiken, Qualitätsmängeln, Wechsel- und Nebenwirkungen entsprechend sammeln, dokumentieren und fachlich bewerten. Auch gehören Behördenkommunikation bzw. das Informieren der Fachöffentlichkeit zu den Aufgaben, sollte es zu Rückrufen oder Rote-Hand-Briefen kommen

Weitere Aufgaben von Apotheker:innen sind die Aus-, Fort- und Weiterbildung pharmazeutischen Personals innerhalb der verschiedenen Fachbereiche.

Referenz und weiterführende Literatur: „Das Berufsbild der Apothekerin und des Apothekers“, Bundesapothekerkammer (BAK) 2016

Es liegen keine Interessenkonflikte vor, der Autor schreibt
unabhängig und nicht im Namen/Auftrag einer Interessenvertretung, Firma oder Ähnliches.

Franz Hack

Franz Hack studierte Pharmazie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Texas Tech University in Amarillo/Texas. Nach dem Diplom in Pharmazeutischer Technologie und einem PJ-Semester in der pharmazeutischen Industrie entschied sich der Apotheker für eine Promotion. In der UniDAZ möchte er mit seiner Assistenten-Kolumne zwischen Studierenden und Lehrenden vermitteln und den Blick für die Wissenschaft schärfen.