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Keine Lust mehr auf schlechte Nachrichten…

… Dann kommt hier eine gute Nachricht: Konstruktiver Journalismus fokussiert sich auf Lösungsstrategien, nicht auf Probleme. Die Berichterstattung ist oft auf das Negative ausgerichtet: Krieg, Klimawandel, Rassismus – If it bleeds, it leads. Dadurch schätzen viele – gerade junge – Menschen die Weltlage schlechter ein, als sie ist. Diesem „negative bias“ in der Medienwelt will der konstruktive Journalismus entgegenwirken.

Der konstruktive Journalismus soll potenzielle Lösungen zeigen, anstatt ausschließlich über Probleme zu berichten. Neben den klassischen W-Fragen wer, was, wann, wo, wie und warum wird auch das „wie weiter“ beantwortet. Diese lösungsorientierte Berichterstattung soll verhindern, dass Leserinnen und Leser in eine Art „Schockstarre“ verfallen, sich ohnmächtig fühlen und den Eindruck haben, an der Lage nichts ändern zu können. Lösungswege zu zeigen, kann Menschen motivieren, aktiv die Lage umzugestalten und damit Einfluss auf das Geschehen zu nehmen.

Konstruktiver Journalismus ist nicht ereignisorientiert, sondern beschäftigt sich mit langfristigen Prozessen. Die Lösungsstrategien werden von den Journalistinnen und Journalisten nicht selbst erdacht, sondern recherchiert, z. B. auf Firmenseiten, in wissenschaftlichen Publika­tionen oder Ähnlichem. Konstruktiver Journalismus will nicht überreden oder gar werben, sondern mögliche Lösungen zu einem Thema zeigen.

Konstruktiv, nicht weltfremd

Medien, die umfassend, kritisch und ausgewogen berichten, betreiben oft bereits konstruktiven Journalismus, ohne diesen so zu benennen. In den letzten Jahren sind jedoch immer mehr Medienschaffende dazu übergegangen, den lösungsorientierten Ansatz eines Formates oder einer Rubrik explizit zu labeln: Beispiele für Themen sind die Sächsische Zeitung mit der Rubrik „Gut zu wissen“, das ZDF mit der Sendung „Plan B“ oder der NDR mit dem Format „NDR Info Perspektiven“. Das Onlinemagazin „Perspective Daily“ berichtet ausschließlich nach dem Prinzip des konstruktiven Journalismus. Einmal täglich wird ein umfassender, evidenzbasierter und zukunftsorientierter Artikel veröffentlicht.

Um nicht zu eindimensional und unkritisch zu berichten, ist es auch beim konstruktiven Journalismus wichtig, Themen umfassend zu beleuchten und Probleme (und deren Lösungen) klar zu benennen. Der Begriff des konstruktiven Journalismus wurde hauptsächlich Anfang der 2010er-Jahre in den USA geprägt. In Europa gehört der Dänische Rundfunk (DR) zu den Pionieren. Diese Sendeanstalt hat festgestellt, dass das Nachrichten-Format durch regelmäßige, konstruktive Beiträge an Beliebtheit gewann und laut einer Umfrage mit positiv besetzten Begriffen in Verbindung gebracht wurde, wie glaubwürdig, relevant, informativ, konstruktiv, nützlich, lösungsorientiert und sozial verantwortlich. In einer 2015 durchgeführten Befragung mit 480 Erwachsenen kommt ein Forschungsteam für Journalismus und Massenkommunikation der University of North Carolina zu dem Schluss, dass eine konstruktive Bericht­erstattung dazu führt, dass sich die Leserinnen und Leser besser und mehr angesprochen fühlen als bei einer negativeren Darstellung. Verhaltensabsichten oder tatsächliches Verhalten wurden durch die Berichtart laut dieser Studie nicht beeinflusst.

Schubladen aufräumen

  • „Konstruktiver Journalismus ignoriert Probleme“. Zu jeder Lösung gehört ein Problem. Probleme werden bei konstruktiver Berichterstattung nicht ausgeblendet, sondernim Kontext erläutert und realistische Lösungsstrategien werden diskutiert.
  • „Konstruktiver Journalismus sieht die Welt durch eine rosa Brille“. Sachverhalte werden bei konstruk­tiver Berichterstattung nicht über­trieben positiv dargestellt, sondern ein Themenkomplex wird facettenreich beleuchtet – also Probleme und Lösungsansätze bzw. positive Aspekte. Damit unterscheidet sich der konstruktive Journalismus von der Katastrophenberichterstattung.
  • „Konstruktiver Journalismus ist Werbung“. Konstruktive Bericht­erstattung bezieht mehrere Perspek­tiven ein und beleuchtet auch Lösungsansätze kritisch und sachlich. Der Vorwurf der Werblichkeit oder voreingenommener positiver Berichte gilt daher nicht.

Positive Konflikte?

Konflikte können aber auch eine konstruktive und für viele Menschen motivierende Seite haben. Das zeigt
beispielsweise die Klimabewegung Fridays for future, die Umweltschutz wieder auf die Agenda gebracht hat.
Redaktionsberater Christian Sauer meinte 2016 in einem Interview auf fachjournalist.de: „Ein modernes Fach­magazin muss Themen so durchdringen, dass es Vor- und Nachteile und damit Entscheidungsalternativen
aufzeigen kann. Mehr noch: Es sollte sogar eine qualifizierte Handlungsempfehlung aussprechen.“

Literatur
Heinrichs E. Konstruktive Techniken. Journalisten Werkstatt, Konstruktiver berichten, Medienfachverlag Oberauer,
2023, S. 7
Isen AM., Daubman KA, Nowicki GP. Positive affect facilitates creative problem solving. Journal of Personality and Social Psychology 1987;52:1122-1131, https://doi.org/10.1037/0022-3514.52.6.1122
Krüger U. Konstruktiver Journalismus, Journalistikon 2019, https://journalistikon.de/konstruktiver-journalismus/
McIntyre KE. Constructive Journalism: The Effects of positive emotions and solution information in news stories. Dissertation an der University of North Carolina at chapel Hill im Fach Massenkommunikation der Schule für Journalismus und Massenkommunikation 2015, https://cdr.lib.unc.edu/concern/dissertations/rn3012085
Oswald B. Konstruktiver Journalismus: Sagen, was ist, und zeigen, wie es weitergeht. Fachjournalist 2018, www.fachjournalist.de/konstruktiver-journalismus-sagen-was-ist-und-zeigen-wie-es-weitergeht/

Juliane Russ

Juliane Russ hat an der Universität Hohenheim Ernährungswissenschaften studiert. Mit dem Master in der Tasche fing sie im April 2022 ein Volontariat bei der Deutschen Apotheker Zeitung an.