Illustration: Wessinger & Peng

Keine Pharmazie ohne Europa!

Die Assistenten-Kolumne

Der alte Kontinent Europa – jahrhundertelang das politische und wissenschaftliche Zentrum der Welt, wo sich über die erste systematische Monographiensammlung phytopharmazeutischer Präparate durch Hildegard von Bingen, über die Begründer der Mikrobiologie Robert Koch und Louis Pasteur bis hin zu mRNA-Impfstoffen die Forschung und Entwicklung entfaltete und bis heute weltweiten Einfluss besitzt. Die europäische Wissenschaft ist geprägt von Evidenz, Reproduzierbarkeit und Zugänglichkeit, also durch beispielsweise Veröffentlichungen von Forschungsergebnissen in Journalen, auf Kongressen oder Konferenzen für die Fachwelt und zugleich auch für alle Interessierten, ganz im Humboldt´schen Sinne.
Die Europäische Union (EU) ist heutzutage ein Wirtschafts- und Währungsraum ohne Grenzen vieler Lieferketten der pharmazeutischen Industrie, dafür weiterhin mit vielen Sprachen und einer gemeinsamen Idee.
So ist es bereits im Studium möglich, durch die Förderung der EU mit ERASMUS zwei bis maximal zwölf Monate im europäischen Ausland zu studieren. Aber nicht nur während des Studiums lohnt es sich, über den Tellerrand zu schauen und mitzubekommen, wie in anderen europäischen Nachbarländern studiert, gelernt und im Labor geschwitzt wird. Auch der Blick während der Promotion oder der Postdoc-Phase ist lohnenswert, um zu erfahren, wie sich Forschung, Lehre und Wissenschaft trotz vieler Gemeinsamkeiten unterscheiden. Einher geht damit natürlich immer die Neugierde auf neue und andere Dinge, den Drang zu verspüren, etwas zu entdecken – so wie wahre Wissenschaftler eben sind.
Manche meiner Kollegen und Freunde gehen aber nicht nur während der Promotion ins Ausland. Ebenso kommen natürlich auch Wissenschaftler aus anderen Ländern der EU nach Deutschland, in unsere Institute, und bereichern so den Austausch in Wissenschaft und Forschung. Häufig entstehen dann neue Kooperationen, Projekte und gemeinsame Publikationen über Ländergrenzen hinweg – ganz im europäischen Sinne.
Aber auch der direkte Weg vor der Promotion ins Ausland, um dort seinen PhD zu erwerben, ist nicht selten. Zu den beliebtesten Ländern der Deutschen zählen dabei die Schweiz, Österreich und das Vereinigte Königreich. Gerade Großbritannien mit seiner ehrwürdigen und traditionsreichen Hochschulkultur ist für viele anziehend.
Europa muss aber auch außerhalb der akademischen Sphären gedacht werden. So stehen meine Kollegen in der pharmazeutischen Industrie und schließlich jeder Apotheker, ob in Klinik oder Apotheke, unter dem Einfluss Europas – nämlich durch das Europäische Arzneibuch (Ph.Eur.). Die Pharmakopöe ist in allen Mitgliedsstaaten der EU verbindlich und stellt somit Vorgaben zu Qualität, Reinheit und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln.
Zugleich werden diese Eigenschaften immer wieder streng auf ihre Einhaltung kontrolliert, durch eine Behörde, die seit März 2019 ihren Sitz in Amsterdam (Niederlande) hat – die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA. Sie ist die höchste europäische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für den Umgang mit sämtlichen Arzneimitteln und Medizinprodukten. Durch sie wiederum wird das pharmazeutische Europa ein Teil der Welt aufgrund enger Kontakte zur US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA oder zum japanischen Pendant, dem MHLW.
Europa ist also weiterhin, aber nicht alleine, pharmazeutisches und wissenschaftliches Zentrum, ganz in seiner Tradition.

Franz Hack

Franz Hack studierte Pharmazie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Texas Tech University in Amarillo/Texas. Nach dem Diplom in Pharmazeutischer Technologie und einem PJ-Semester in der pharmazeutischen Industrie entschied sich der Apotheker für eine Promotion. In der UniDAZ möchte er mit seiner Assistenten-Kolumne zwischen Studierenden und Lehrenden vermitteln und den Blick für die Wissenschaft schärfen.