Illustration: Wessinger und Peng

Reden und reden lassen

Die Beziehung bestimmt das Gespräch

Um untereinander eine Verbindung aufzubauen, müssen wir miteinander Reden. Für den Einstieg ist oft eine Prise Small Talk notwendig, der zu unrecht einen schlechten Ruf trägt. Sprechwissenschaftlerin Afia-Ayélé Vissiennon erklärt euch, wie eure Gespräche künftig gelingen.

Vielleicht kennst du das: ein Gespräch, das sich anfühlt wie ein Einkaufswagen mit kaputtem Rad. Es zieht immer wieder in die Richtung, in die man gar nicht will, und am Ende kostet es so viel Energie, die Unterhaltung am Laufen zu halten wie den Wagen am Fahren. Normalerweise sind Gespräche etwas Großartiges. Gerade mit guten Freunden laufen sie wie von alleine und können mitunter Stunden dauern. Ohne darüber nachzudenken, unterhalten wir uns, stellen Fragen, antworten, hören zu, erzählen, sprechen über Vergangenes und über die Zukunft.

Umso unangenehmer nehmen wir es wahr, wenn es einmal hakt. Die Sprechpausen scheinen endlos zu dauern. Der Blick geht an die Decke, die Unterhaltung verebbt. Auf eine Gesprächsflaute im Privaten reagieren wir, indem wir uns auf einer Feier einer anderen Gruppe hinzugesellen oder zum Buffet flüchten. Das hat vermutlich jeder schon erlebt und jeder schon gemacht. Im Arbeitskontext kann man in der Regel nicht einfach ausweichen. Ein gutes erstes Gespräch kann sich auf die gesamte folgende Zusammenarbeit auswirken.

Gespräche sind für das menschliche Miteinander wichtig – im privaten wie im beruflichen Kontext.

Mit Gesprächen bauen wir Beziehungen

Folgendes Szenario werden die meisten noch aus der Schule kennen: Eine Gruppenarbeit steht an und die Lehrerin lässt das Los entscheiden, wer mit wem zusammenarbeitet. Missmut wächst bei denen, die vom besten Freund oder der besten Freundin getrennt werden. In einer Gruppe mit jemandem, den man kaum kennt, fällt das Arbeiten viel schwerer: Wie wollen wir vorgehen? Welchen Schwerpunkt wollen wir setzen? Wie die Präsentation gestalten? Aber die eigentlich dominierende Frage ist: Wer ist das überhaupt?

Fragen auf der Arbeitsebene können leichter geklärt werden, wenn das Miteinander, also die Beziehungsebene, bereits stimmt. In Lerngruppen an der Uni verhält es sich nicht anders. Nach den ersten gemeinsamen Kaffeepausen arbeitet es sich viel besser. Man lernt sich kennen, findet Gemeinsamkeiten und Unterschiede und entdeckt die Person, die bis vor Kurzem noch die unbekannte Kommilitonin war. In der Folge können wir unser Gegenüber sowie das, was es sagt und tut, besser einschätzen. Auch in unserem Verhalten der Person gegenüber werden wir entspannter. Man kennt sich und missversteht sich weniger häufig. Das entlastet die gemeinsame Kommunikation. Dadurch lässt es sich wiederum entspannter am Lernstoff oder der Gruppenaufgabe arbeiten.

Ein oft zitierter Satz von Kommunikationswissenschaftler und Psychologe Paul Watzlawick besagt:

„Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei Letzterer den ersten bestimmt.“

Watzlawick / Beavin / Jackson


Dieser Grundsatz gilt auch hier: Möglicherweise arbeitest du in der Gruppenarbeit mit jemandem zusammen, der genauso für das Thema brennt wie du. Trotzdem wird es schwer, gemeinsam eine richtig gute Präsentation auf die Beine zu stellen, wenn ihr beide euch nicht ausstehen könnt.

Beispiele im Alltag lassen sich en masse finden: Es braucht einen neuen Putzplan in der WG. Zwei der Mitbewohner haben aber einen ungeklärten Streit und so dauert es ewig, sich auf eine Idee zu einigen.

„Ich hasse Smalltalk“

In Kommunikationstrainings begegnen mir immer wieder Leute, die sagen, wie sehr sie Smalltalk hassen.

„Ich bin da einfach nicht gut drin.“

„Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich vollkommen auf Smalltalk verzichten.“

Das wäre gar nicht so einfach. Small-Talk, das oberflächliche Gespräch über eventuell belanglos anmutende Themen, ist in der Regel der erste Schritt, um aufeinander zuzugehen, und gleichzeitig das erste Abtasten des Gegenübers. Man findet einen gemeinsamen Nenner und kann von dort aus in tiefergreifende Gespräche abtauchen. Wie wir Gespräche führen, was wir sagen, fragen und erzählen, wählen wir nicht zufällig aus. Wir haben von Kindheitstagen an gelernt und geübt, methodisch vorzugehen: Wir wissen, wie man das macht, haben Gepflogenheiten, Erwartungen und Gewohnheiten, die kulturell verankert sind. Diese fallen bei einem gut funktionierenden Gespräch kaum auf. Wenn die Konversation allerdings mal nicht ganz rundläuft, werden sie umso offensichtlicher. Wer Unsicherheiten beim Small Talk hat, kann hier ebenso methodisch vorgehen und üben.

„Geht’s gut? – Ja, und dir?“

„Hatten Sie ein schönes Wochenende? – Ja, war schön.“

Es bedarf je nach Situation schon einer tüchtigen Portion Gesprächigkeit, um ausführlicher auf solche Fragen zu antworten. Hör dich in deinem Alltag einmal um, wie Gespräche geführt und Fragen gestellt werden. Vielleicht wirst du feststellen: Ist eine Frage mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten, sagt man oft nicht mehr als nötig. Geschlossene Fragen können einerseits zielorientiert und effizient sein. Andererseits können sie vollkommen unbeabsichtigt wie eine Gesprächsbremse wirken, weil sie wenig Spielraum bei der Antwort lassen. Häufig kommt es aber genau darauf an, Menschen zum Sprechen einzuladen – ob als Berufseinsteiger zum Aufbau eines Netzwerks, im Patientenkontakt in der Apotheke (der Klassiker: „Kennen Sie das Arzneimittel schon?“ – „Ja, ja.“) oder natürlich, wenn man jemanden ganz privat kennenlernen will. Smalltalk ist nicht schwer – aber wichtig. Es wird immer Teil des menschlichen Miteinanders sein. Deshalb lohnt es sich, sich darin auszuprobieren.

Finde heraus, mit welchen Themen und Fragen du dich wohlfühlst und wie du Small-Talk für dich angenehm gestalten kannst. Wichtig ist: Lass dich darauf ein, dass es ganz am Anfang nicht immer um weltbewegende Themen und große Leidenschaften gehen muss. Die Stimmung und erste, wenn auch oberflächliche Gemeinsamkeiten stehen im Vordergrund. Ein simpler Einstieg wie „Ich hab gehört, nächste Woche sollen es über 30 Grad werden! Wie kommst du so mit dieser Hitze klar?“ kann Ausgangspunkt für weitere tolle Gespräche sein. Beim nächsten Mal am Buffet also keine Scheu davor, einfach mal übers Wetter zu reden.

How to small talk

  • Themenwahl: Positiv und unverfänglich (z. B. Wetter, Sport und Hobbies statt Politik, Religion oder Krankheiten)
  • keine Angst vor Belanglosigkeit!
  • mit Kommilitonen oder Kollegen Themen abseits von Studium bzw. Arbeit finden
  • reden und reden lassen
  • sowohl Monologe über das persönliche Lieblingsthema als auch Ausfragen des Gegenüber vermeiden
  • auf Balance in der Gesprächsbeteiligung achten

Der richtige Draht in der Apotheke

In der öffentlichen Apotheke musst du logischerweise mit Patienten ins Gespräch kommen, um sie angemessen beraten zu können. Damit man sich dir anvertraut, sollte es dir gelingen, eine offene und gleichzeitig professionelle Atmosphäre aufzubauen. Nur so erfährst du die Leiden und Sorgen der Patienten und kannst mit ihnen, obwohl sie mehr oder weniger „fremd“ sind, sogar über Tabuthemen sprechen. Die richtige Kommunikation ist der Schlüssel, Probleme wie Nebenwirkungen zu erkennen, um helfen zu können. Doch wie soll das gelingen?

Beobachte deine eigenen Signale, die du aussendest. Hinterfrage dich selbst und lass dir Feedback geben, welche Nachricht beim Empfänger ankommt, etwa durch Nachfragen, wenn du Patienten berätst. Selbst wenn du nur wortlos hinterm Tresen stehst, kommunizierst du: Denn nach Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick kann man gar nicht „nicht-kommunizieren“. Das bedeutet: Wenn du nur freundlich und sympathisch aufzutreten weißt und Blickkontakt herstellst, ist allein das eine Botschaft, die dein Patient empfängt und auf die er reagieren wird – im besten Fall mit Vertrauen. Wenn du eine sichere und professionelle Sprache nutzt, wenn du höfliche Begrüßungsformeln verwendest, signalisierst du deinem Gegenüber, dass du ihn ernst nimmst. Im Gegenzug wird man dich vermutlich auch ernst nehmen.

Hast du alle Informationen vom Patienten, die du brauchst, um ihn gut beraten zu können, ändert sich oft der Tonfall. Denn um den Patienten mithilfe deines pharmazeutischen Fachwissens zu schulen, brauchst du eine deutliche, einfache und souveräne Sprache. Im Apothekengespräch befinden wir uns auf der ständigen Gratwanderung, komplizierte Zusammenhänge verständlich zu erklären, aber nicht zu banalisieren. Eine gute Beratung ist so einfach wie möglich, aber so kompliziert wie nötig. Bist du unsicher, welche Informationen bei deinem Gegenüber ankommen? Dann kannst du mit Verwandten oder Freunden, die nicht aus dem medizinischen Bereich kommen, üben und deine Beratung erproben. Schon Cicero, der berühmteste Redner Roms, sagte: „Reden lernt man nur durch reden!“

Afia-Ayélé Vissiennon, Leipzig

Als Sprechwissenschaftlerin hat Afia-Ayélé Vissiennon schon zu Beginn ihres Studiums in Halle (Saale) eine Vorliebe für die Gesprächsrhetorik entwickelt. Für ihren Masterabschluss widmete sie sich zuletzt einem Forschungsprojekt zum Beratungsgespräch in der öffentlichen Apotheke.