Foto: Erli Grünzweil

Zeitmanagement im Online-Semester

Im Corona-Semester läuft der Hochschulbetrieb anders ab als sonst: Hörsäle bleiben leer, die meisten Vorlesungen finden online statt und gelernt wird nicht in der Bibliothek, sondern zu Hause. Für viele Studierende ist das eine große Umstellung. Ihr privates und berufliches Umfeld vermischt sich; sie müssen sich selbstständig organisieren – und motivieren. Ganz allein und ohne ihre Kommilitonen. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob du Pharmazie, Medizin oder andere Naturwissenschaften studierst – alle sind von diesen Widrigkeiten betroffen. Damit du dich in dieser neuen Situation schnell zurechtfindest und auch zu Hause produktiv studieren kannst, hat Studienberater und Blogger Tim Reichel sieben krisenerprobte Zeitmanagement-Tipps für dich zusammengestellt.

Zeitmanagement ist eine Schlüsselkompetenz, wenn du erfolgreich studieren möchtest. Nur wenn du dir deine Zeit klug einteilst, clever planst und effizient lernst, kannst du das Optimum aus deinem Studium herausholen. Es hängt von deinem Zeitmanagement ab, ob du Bestnoten schreibst, in Regelstudienzeit studierst und nebenbei noch ausreichend Freizeit hast – oder eben nicht. Dabei gibt es nur ein Problem: Diese Fähigkeiten werden uns nicht in der Schule beigebracht. Du musst dir selbst beibringen, wie du deine Aufgaben organisieren und deine Zeit eigenverantwortlich managen kannst. Aber keine Sorge: Die folgenden Tipps helfen dir dabei.

1. Lege konkrete Studienziele fest!

Ziele sind der Grundstein für ein erfüllendes Zeit- und Lebensmanagement. Ohne konkrete Ziele setzt du deine Zeit willkürlich ein – und verschwendest sie mit großer Wahrscheinlichkeit für Kleinigkeiten. So wirst du niemals dein volles Potenzial abrufen, denn um etwas zu erreichen, musst du erst einmal wissen, was genau du eigentlich erreichen willst. Nur wenn du weißt, wo du hinmöchtest, kannst du die richtigen Schritte einleiten und den genauen Weg zu deinem Ziel festlegen. Dieser erste Schritt gibt dir Orientierung im hektischen Unialltag und deinem Studium im Homeoffice eine Struktur, nach der du dich richten kannst. Denn Ziele sorgen dafür, dass du dich auf das Wesentliche konzentrierst und unwichtige Dinge außer Acht lassen kannst. Deine Ziele sind dabei keinesfalls demotivierende Druckmittel, die dich einschnüren und in ein zu enges Korsett stecken. Im Gegenteil: Richtig formuliert, sind Ziele Motivationsbooster und essenziell für ein gutes Zeitmanagement. Bei der richtigen Formulierung deiner über- und untergeordneten Ziele hilft dir das bekannte SMART-Konzept: Definiere deine Ziele immer spezifisch, messbar, angemessen, realistisch und terminiert.

2. Plane deinen Tag im Voraus!

Nachdem deine Ziele feststehen, solltest du deren Umsetzung planen. Viele Studierende gehen ihre Arbeit im Homeoffice spontan an. Sie stehen irgendwann auf, setzen sich irgendwann an den Schreibtisch und fangen dann irgendwann an zu lernen. Doch dieses „Irgendwann“ ist gefährlich. Ohne eine konkrete zeitliche Planung wirken deine Vorhaben unverbindlich. Und durch diese Unverbindlichkeit wird es dir sehr leichtfallen, wichtige Aufgaben aufzuschieben oder Zeit zu vertrödeln. Darum die Preisfrage: Hast du immer einen Plan im Kopf oder bist du jemand, der gerne in den Tag hineinlebt und die Dinge auf sich zukommen lässt? Beides ist völlig okay. Im Studium kann planloses Verhalten und orientierungsloses Rumstudieren allerdings größere Probleme verursachen, als du vielleicht denkst. Aus diesem Grund solltest du deinen Tagesablauf planen – und zwar im Voraus: Plane den kommenden Tag am Abend vorher. Bestimme dazu die wichtigsten Aufgaben für den nächsten Tag und lege einen groben Fahrplan mit deinen To-dos fest. Wann wirst du was erledigen? Was ist besonders wichtig? Welche Termine darfst du nicht vergessen? Dabei geht es nicht darum, jede Minute exakt zu verplanen, sondern um Orientierung und Klarheit.

3. Gestalte ein produktives Umfeld!

Wenn du deine Online-Vorlesung auf der Couch und in Jogginghose verfolgst, wird es dir sehr schwerfallen, konzentriert und motiviert zu bleiben. Warum? Weil du dein Umfeld falsch ausgerichtet hast. „Falsch“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass du deinem Gehirn mit dem beschriebenen Set-up signalisierst, dass du dich in einer entspannten Freizeitumgebung befindest. Mitdenken und Verstehen sind so kaum möglich. Das Studieren zu Hause ist zum Scheitern verurteilt, wenn du deinen Arbeitsplatz nicht produktiv gestaltest. Frage dich dazu: Was steht bei deinem Arbeitsplatz im Fokus? Das Studieren oder andere Dinge? Gibt es Einflüsse, die dich ablenken könnten? Hast du alle Hilfsmittel, die du für deine Arbeit benötigst? Stört dich etwas? Schon kleine Änderungen an deinem Umfeld können dafür sorgen, dass du dich besser fühlst, weniger abgelenkt wirst und fokussierter denken kannst. Auch der Zauber deiner Glücksjogginghose ist beim Studieren zu Hause hinderlich. Klingt spießig, ist es auch. Aber: Die Art und Weise, wie du dich kleidest, kann sich auf deine Einstellung übertragen. Wenn du dich wie ein fleißiger Student anziehst, wirst du dich eher wie ein fleißiger Student verhalten; und wenn du dich professionell kleidest, wirst du eher eine professionelle Einstellung an den Tag legen.

„Die Wissenschaft ist voll von Geheimnissen, wir wissen mehr nicht, als dass wir etwas wissen. Warum zeigen wir diese Faszination nicht?“

Hier findet ihr das ganze Interview von Hirnforscher Henning Beck mit UniDAZ

4. Sorge für eine feste Struktur!

Das Lernen zu Hause läuft häufig chaotisch und ohne festen Zeitplan ab. Du bist zwar bei einigen Vorlesungen und Seminaren an den Startzeitpunkt gebunden, aber in der Regel kannst du dir deine Arbeitszeit frei einteilen. Doch genau in dieser Unverbindlichkeit liegt eine große Gefahr für dein Zeitmanagement, denn: Ohne eine feste Struktur, ohne Deadlines und Fristen, neigen wir dazu, unproduktiv zu handeln. Wir erledigen unwichtige Dinge zuerst, agieren zu perfektionistisch und sind nicht zielstrebig genug. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, empfehle ich dir folgende Strategie: Vereinbare Termine mit dir selbst. Bestimme dazu eine wichtige Aufgabe für dein Studium und blocke dafür ein Zeitfenster in deinem Kalender. Erstelle einen offiziellen Termin – so, wie du es für ein Ereignis mit anderen Personen tun würdest. Diese Zeit ist nun konkret verplant und fördert damit eine fokussierte Arbeitsweise. Abschweifen ist nicht möglich, weil es dein Kalender nicht zulässt. Der vorgegebene zeitliche Rahmen sorgt zudem für eine schnelle und konsequente Erledigung der jeweiligen Aufgabe. Die selbst vergebene Deadline wird dafür sorgen, dass du (unterbewusst) von Anfang an produktiv arbeitest und dich nicht erst herantasten musst.

5. Arbeite in Etappen!

Kein Mensch kann den gesamten Tag im Homeoffice konzentriert bleiben. Zumindest nicht am Stück. Und schon gar nicht bei mental anstrengenden Tätigkeiten wie Lernen. Sobald du mit einer Aufgabe anfängst, nimmt deine persönliche Konzentration (und mit ihr deine Leistungsfähigkeit) mit Beginn der ersten Minute leicht ab. Nach circa einer halben Stunde wird der Konzentrationsabfall immer größer, bis nichts mehr von deiner mentalen Energie vorhanden ist. Wissenschaftliche Studien bestätigen das. Was viele Studierende dann tun: Sie machen trotzdem weiter. Sie arbeiten und arbeiten und arbeiten – kommen aber nicht vom Fleck oder machen Fehler, weil sie sich nicht mehr konzentrieren können. Ein geschicktes Gegenmodell zu dieser ineffizienten Taktik ist das Arbeiten in Etappen. Teile deine Aufgaben in kleine Zeiteinheiten auf und plane nach jedem Intervall eine kurze Pause ein. Solch eine Etappenstruktur schont deine Kräfte und frischt deine Konzentration immer wieder auf. Eine der bekanntesten Zeitmanagement-Methoden, die dieser Systematik folgt, ist die sogenannte Pomodoro-Technik. Dabei arbeitest du 25 Minuten lang konzentriert an einer Aufgabe und legst im Anschluss eine fünfminütige Pause ein. Dann beginnst du erneut, bis du dir nach vier Pomodoro-Sets eine längere Erholungspause gönnst.

6. Schalte Ablenkungen aus!

Klausuren kommen stets zur Unzeit. Mit der richtigen Organisation gelingt es euch, die Zeit wieder einzufangen.
Foto: Philoteus Nisch

Im Homeoffice lauern sie an jeder Ecke. Sie kennen kein Erbarmen und versuchen bei jeder Gelegenheit, deine Zeit zu stehlen. Die Rede ist von Ablenkungen. Egal, ob der laute Mitbewohner, das Smartphone oder die blinkende Website: Beim Studieren zu Hause ist deine Aufmerksamkeit zahlreichen Angriffen ausgesetzt. Und es liegt an dir, dich und deine Konzentration vor diesen Störenfrieden zu beschützen. Wie das gehen soll? Zwei Vorschläge: Erstens: Schotte dich ab. Wenn du deine Zeit produktiv nutzen möchtest, ist es manchmal nötig, dass du dich von deiner Umgebung abschirmst. Gehe dazu in dein Zimmer oder in einen freien Raum, verbarrikadiere die Tür und schließe das Fenster. Niemand darf dich stören, keine Einflüsse von außen sind erwünscht. Setze Kopfhörer auf oder benutze Ohrstöpsel, um dich gegen akustische Ablenkungen zu schützen, und mache alles, um ungestört zu sein. Zweitens: Setze dich auf eine digitale Diät. Schalte dein Smartphone beim Lernen aus oder drapiere es für eine gewisse Zeit in einem anderen Raum. Nutze sogenannte Website-Blocker, um bestimmte Webseiten zu sperren, während du an deinem Laptop sitzt. Solange die Software aktiviert ist, hast du nur einen eingeschränkten Webzugriff. So schützt du dich selbst vor ablenkenden Einflüssen.

7. Mach mal Pause!

Ja, richtig gelesen: Pausen sind eine der wichtigsten Zutaten für ein gelungenes Zeitmanagement. Sie fördern nicht nur deine Produktivität, sondern garantieren auch deine nachhaltige Gesundheit. Und sie machen Spaß. Aber der Reihe nach. Erst mal sorgen Pausen dafür, dass du deine Energiereserven auffüllen und deine Leistungsfähigkeit auf einem hohen Level halten kannst. Ohne Pausen zu arbeiten oder zu lernen ist hingegen die wirkungsvollste Methode, um deine Konzentration komplett zu vernichten. Dabei kommt es jedoch nicht nur darauf an, dass du Pausen machst, sondern auch wie du diese Pausen gestaltest. Es gilt die Grundregel: Je aktiver deine Pause abläuft, desto besser ist ihre Wirkung. So bringen dir Pausen, in denen du am Schreibtisch sitzen bleibst und mit deinem Smartphone rumspielst, weniger Erholung als aktive Pausen, in denen du ein kleines Workout durchführst, meditierst oder einen Powernap einlegst. „Aktiv“ bedeutet also nicht zwangsweise, dass du rumhampeln oder kreative Dinge tun musst. Es geht darum, dass du deine Pause aktiv nutzt und sie zur Erholung einsetzt. Danach kannst du gestärkt weiterstudieren und dich neuen Herausforderungen stellen. Achte auf eine ausgewogene Balance zwischen Belastung und Erholung – so wie beim Sport.

Fazit

Mit dem richtigen Zeitmanagement ist das Studieren zu Hause kein Problem. Im Homeoffice bist du jedoch mehr als sonst auf dich allein gestellt. Ohne eine produktive Eigenverantwortung und eine gesunde Portion Selbstdisziplin wirst du es schwer haben. Halte dich daher an die sieben Tipps aus diesem Artikel und arbeite an deiner Organisation. Diese Investition wird sich nicht nur während deines Online-Semesters auszahlen, sondern auch zukünftig eine große Bereicherung für dich sein. In diesem Sinne: Ein erfolgreiches Semester und viele produktive Stunden zu Hause!

Dr. Tim Reichel

Dr. Tim Reichel ist Autor, Wissenschaftler und Studienberater an einer großen deutschen Universität. Außerdem ist er der Gründer der Plattform Studienscheiss – dem größten persönlichen Blog zum Thema Studieren in Deutschland. Seit über acht Jahren coacht er Studenten und löst Probleme im Studium. In seinem Blog veröffentlicht Tim regelmäßig Artikel zu den Themen Zeitmanagement, Studienorganisation und Motivation. Dort gibt er auch Tipps, wie man den stressigen Alltag in den Griff bekommen, fokussiert lernen und sein Leben proaktiv gestalten kann. Zudem ist Tim Buchautor zahlreicher Studienratgeber. Sein Buch „Bachelor of Time – Zeitmanagement im Studium“ wurde bisher über 30.000 Mal verkauft. Auf www.studienscheiss.de erfährst du mehr zu Tim und seinen Projekten.